streetworkshop mit Siegfried Hansen – beide daumen hoch…

Anfang Oktober war es nun endlich soweit – nach inzwischen zwei Jahren Vorlauf und nachdem uns im April noch Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte! An dieser Stelle Danke zunächst an Wolfgang, der die ganze Sache überhaupt erst ins Rollen gebracht hat.

Siegfried Hansen war also in Nürnberg. Wer mit dem Namen nichts anzufangen weiß – er ist sicher einer der renommiertesten Streetfotografen Deutschlands. Als Quereinsteiger und Autodidakt hat er sich über viele Jahre einen Namen erarbeitet und die nationale Szene mit geprägt. Er war Mitglied bei in-public und ist inzwischen Teil der hochkarätig international besetzten und anerkannten Gruppe UPPhotographers. Bekannt ist er insbesondere durch seine sehr formell gestalteten und graphisch orientierten Arbeiten aber es finden sich auch viele tiefgründige und humoristische Bilder in seinem Portfolio.

Nachdem ich in bereits letztes Jahr im Rahmen des German Streetphotography Festivals kurz kennen lernen konnte, hatte ich nun die Gelegenheit, ihn im Vorfeld unseres Workshops ein wenig durch Nürnberg zu führen und ihm unsere Stadt näher zu bringen. Einmal mehr durfte ich erfahren, wie unkompliziert und offen der Umgang miteinander in der community im Allgemeinen ist und wie sehr das gemeinsame Interesse doch verbindet. Und so entwickelte sich auch mit Siegfried schnell ein ungezwungenes Gespräch nicht nur über Fotografie. Diese offene, zugewandte Atmosphäre zog sich dann auch durch das gesamte Wochenende.

Freitag Abend startete dann der offizielle Teil. Wir trafen uns in kleiner Runde (aufgrund der aktuellen Situation etwas reduziert auf vier Teilnehmer) im Seminarraum mitten in der Stadt zu einer kurzen Vorstellung, bevor dann Siegfried im theoretischen Teil seine fotografische Entwicklung und Herangehensweise an die Steetfotografie aufzeigte. Das Ergebnis dieses langjährigen Wegs ist sein sog. PILOT-System. Einen kurzen Einblick hierein gibt er in seinem Gastbeitrag im blog. Ein großer Teil war für mich zunächst mal gar nicht unbedingt neu, vielmehr hab ich in vielen Dingen auch meine Fotografie ein Stück weit wieder entdeckt. Wie strukturiert und konsequent man das Ganze allerdings betreiben kann, hat mich aber doch beeindruckt. Und mit dem Thema Motive/Objekte sammeln und das über Jahre hatte ich mich bis dato praktisch überhaupt nicht auseinander gesetzt. Seine Rationale dahinter ist, sich selbst einen Trigger zu generieren um ganz automatisch diese Motive zu sehen und konzentrierter zu fotografieren. Sein Beispiel im blog Eistüten – in jeder Größe, Form und Farbe. Zunächst ein scheinbar banales Objekt, welches sich im laufe der Zeit dann zusammen mit Vorder-/Hintergrund zu immer komplexeren Geschichten entwickelt. Beschränkt bleibt das Ganze aber nicht nur auf Objekte, er wendet das Prinzip auch breiter gefasst auf, wie er es nennt, „Themen“ an.

Jetzt war nicht unbedingt Eistütenwetter. Aber prinzipiell funktioniert das Prinzip mit allem. So z.B. auch Linien und es war verblüffend zu beobachten, wie Siegfried diese praktisch überall sieht, selbst da, wo sie vorher nicht waren. Am nächsten Morgen starteten wir dann in den praktischen Teil – v.a. auch mit diesen Linien. Die Fassade des Neun Museums bot hierfür quasi paradiesische Verhältnisse. Es wurden Linien gesucht, verlängert, Menschen darauf balanciert… Das Ganze teils unter Anleitung, teils relativ selbständig immer aber entspannt und auf die jeweiligen Teilnehmer zugeschnitten. Ziemlich schnell waren wir dann doch alle irgendwie „angefixt“. Siegfried war nie weit weg und gab auf Wunsch immer auch unmittelbar Rückmeldung und Unterstützung. Darüber hinaus brachte er uns auch das Spiel mit Hintergründen näher und wie sich unterschiedliche Ebenen zu Geschichten verweben lassen. Wir wechselten mehrfach die locations, wobei diese zunächst aber immer über längere Zeit und von unterschiedlichsten Seiten „abgearbeitet“ wurden. Ein weiterer Aspekt, indem ich mich einerseits wieder bestätigt fühlte. Nimm die Zeit, verweile an einem Ort und beobachte was passiert. Als neuer Impuls dann aber auch – mach dir die Mühe und versuche unterschiedliche Ansichten, Perspektive und Standorte.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen ging´s dann wieder in den Seminarraum. Hier wurden Bilder gesichtet, bewertet und relativ relativ gnadenlos unter dem wachsamen Auge unseres Dozenten aussortiert. Auch das eine durchaus neue und nicht unbedingt leichte Erfahrung… Nachdem sich dann tatsächlich nochmal die Sonne zeigte, nutzen wir die Gelegenheit und zogen erneut zum Fotografieren los.

Am Abend stand dann noch ein kleines Meet and Greet auf dem Programm, welches wir als offenes Event geplant hatten und somit auch Nicht-Workshop-Teilnehmern die Gelegenheit bieten wollten, ungezwungen mit Siegfried zu plaudern. Wenngleich, vielleicht aber auch gerade weil wir eine relativ kleine Gruppe waren, hatten wir viel Spaß, genossen das ein und andere Bier und plauderten trotz frostiger Temperaturen bis weit in den Abend.

Am dritten und letzten Tag stand dann zunächst wieder Praxis auf dem Programm. Ein highlight an diesem Vormittag waren die Jungs und Mädels von Parkour Nürnberg e.V., die wir zufällig beim Training auf der Anlage im Westtorgraben beobachten und fotografieren konnten. Die location hat sich sicher für die Zukunft einen Platz im streetguide verdient und mal sehen, ob die Bewegungskünstler nicht öfter noch bildlich auftauchen…

Nach dem Mittagessen machten wir uns schließlich wieder auf in den Seminarraum – Bilder sichten, aussortieren, teils kurz bearbeiten und als kleine Präsentation zusammenstellen. Abschließend ging´s dann an die gemeinsame Besprechung der Ergebnisse. Auch hier gab es nochmal Tipps, was Bildsprache, -wirkung und -bearbeitung angeht. Letztlich waren alle zufrieden mit ihrer Ausbeute. Einerseits ähnelten sich die Bilder naturgemäß aufgrund der gemeinsamen locations, irgendwie hatten doch aber auch alle einen Teil ihrer eigenen Sichtweise mit eingebracht und auch immer wieder überraschend andere Blickwinkel gefunden. Ein Aspekt, der dazu anregt, bei der nächsten Fototour auch diese neue Inspiration zu nutzen und auszuprobieren. So im Nachhinein denke ich mir, wäre es ganz spannend gewesen, auch Einblick in Siegfrieds Ergebnisse zu bekommen – als kleine Anregung für die Zukunft.

Insgesamt war der Workshop aus meiner Sicht und, soweit ich das mitbekommen habe, auch aus Meinung der übrigen Teilnehmer ein voller Erfolg. Drei von vier waren übrigens Kollektivmitglieder, was das Ganze für uns noch mehr zum Heimspiel gemacht hat. Wir hatten – wie aber immer – viel Spaß zusammen und haben sicher auch voneinander profitiert und gelernt. Vielleicht hätten allerdings ein oder zwei externe Mitstreiter mehr noch ganz andere, neue Aspekte und Anregungen mit eingebracht… Ein Punkt der ganz sicher allgemein für jeden Workshop spricht, egal wo und von wem geleitet. Man unterschätzt oft, wie eingefahren man selbst tatsächlich ist und wie viel man von anderen doch immer wieder mitnehmen kann.

Ich persönlich bin ohne spezielle Erwartungen in den Workshop. Ich wollte mir diese Gelegenheit definitiv nicht entgehen lassen. Mir war aber sehr wohl bewusst, dass Siegfried´s Stil zunächst mal nicht unbedingt das ist, was ich mir für meine weitere Entwicklung vorgestellt habe. Er hat mich dann aber recht schnell mitgerissen, ich kam erstaunlich zügig in eine Art „flow“ und hab so viele Bilder gemacht, wie schon lange nicht mehr – insbesondere im vertrauen und bekannten Nürnberg. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Streetfotograf, egal wie erfahren oder in welcher Stilrichtung zuhause, von diesem Workshop profitieren und das ein oder andere für seine Entwicklung mitnehmen kann. Es schadet nie, sich breit zu bilden und aufzustellen, solange man sich immer im Klaren bleibt, dass es nicht den einen richtigen Ansatz gibt. Und wenn das Ganze dann auch noch in so entspannter Atmosphäre unter höchst kompetenter aber nie abgehobener oder herablassender Anleitung erfolgt, kann man nur gewinnen!

Besonders gefreut hat es mich, das Siegfried eben genau diesen letzten Aspekt auch immer wieder mit hat einfließen lassen und sich gegen allgemeingültige Regeln und Paradigmen ausgesprochen hat! In Verbindung mit seiner unaufdringlichen ruhigen Art machte ihn das für mich noch sympathischer.

Mein Fazit also: unbedingt empfehlenswert, nutzt die Chance, wenn ihr könnt! Ich würde tatsächlich auch überlegen, nochmal teilzunehmen…

Vielleicht bis dahin oder auch einem anderen Walk, Workshop, bzw. unserer kommenden Ausstellung im Kater Murr, gerald

3 Comments on “streetworkshop mit Siegfried Hansen – beide daumen hoch…”

  1. Hallo liebe Nürnberger Streetfreunde! Ein sehr schön, sehr kurzweilig geschriebener Artikel! Vielen Dank für die wunderbaren Einblicke in den gemeinsamen Workshop und die schönen Bilder, viele Grüße aus Braunschweig.

  2. Hallo Gerald,

    super herzlichen Dank für deine sehr freundliche, offene und ehrliche Sichtweise und Rückmeldung zu unserem Workshop! Ich habe mich sehr über dein Feedback gefreut.

    Noch zu deiner Frage, warum ich meine gemachten Fotos nicht in der Workshop Runde zeige. Ihr als Teilnehmer seid die Hauptfiguren im Workshop und mein Ziel ist es, eure Wahrnehmung zu ändern und euch neue Sichtweisen aufzuzeigen, meine Fotos sind nicht von Bedeutung. Ich fotografiere während des Workshops meistens nur für die Teilnehmer, um zu zeigen was man dort an den jeweiligen Platz fototechnisch und gestalterisch sehen kann.

    Viele Grüße, Siegfried

  3. Ein toller Artikel Gerald!
    Schade das ich es irgendwie verpasst habe.

    Aber dafür war es umso schöner beim meet & greet dabei gewesen zu sein.

    Bis dahin und tolle Bilder im Beitrag

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