die große bühne…

Gibt es eine bessere Zeit um runterzufahren, zurückzublicken und sich über sich und die Welt Gedanken zu machen als „zwischen den Jahren“? Auch ich hatte mal wieder Gelegenheit, mehr zu lesen, Ausstellungen zu besuchen und mich mit Fotografien auseinanderzusetzen – insbesondere auch mit meinen eigenen Arbeiten. Dabei stellen sich recht schnell auch immer Fragen nach der Motivation, der eigenen „Handschrift“ aber auch grundsätzliches wie „was ist Streetfotografie“?

Letzteres wird oft diskutiert, es gibt unendlich viele Ansichten und Antworten darauf. Allgemein gültig ist meiner Meinung nach keine. Streetfotografie kann für jeden etwas anderes bedeuten, es gibt diverse Facetten und Stilrichtungen und die Abgrenzung zu anderen Genres wie Reportage-/Dokumentarfotografie oder auch Portraits ist oft schwammig und fließend.

„I don´t think there´s any real definition of streetphotography. There´s a feeling of the street… When I see it, I know it.“

„If you can smell the street… it´s a street photograph.“

Bruce Gilden

Ich finde diese Zitat grandios, v.a. weil ich sowas von dieser Seite primär so gar nicht erwartet hätte. Und auch wenn hier durchaus andere Interpretationen möglich sind, gefällt mir jene sehr allgemeine – entscheide selbst, finde deine eigene Definition!

Bzgl. der Motivation gelange ich letztlich immer wieder zum selben Punkt. Für mich bedeutet Fotografieren in erster Linie Ausgleich und Entspannung, Abschalten, Abstand gewinnen und den Alltag mit anderen Augen sehen. Über die Jahre kam dazu aber zunehmend auch der Anspruch, sich ausdrücken zu wollen, eine Botschaft zu vermitteln. Das klingt oftmals viel hochtrabender, als es vielleicht ist. Klar steckt auch meine Weltanschauung in meinen Bildern und es gibt politische oder auch sozialkritische Aspekte die ich sichtbar machen oder kundtun will. Sehr oft geht es aber „nur“ darum, meine Sicht auf (ganz wörtlich) die Welt und die Ästhetik im Alltäglichen.

Hab ich eine eigene Handschrift? Jein. Ich glaube bis dahin ist es noch ein weiter Weg und ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich diesen wirklich bis zum „Ende“ gehen will. Momentan hab ich die Freiheit, mich nach Lust und Laune auszuprobieren, kann unterschiedliche Einflüsse und Stilrichtung einbringen, mal mitten drin, mal abseits stehend. Wenn ich mir meine Bilder über die Jahre so ansehe, so stelle ich aber sehr wohl fest, dass immer wieder ein sehr ähnliches Motiv auftaucht, eine sehr ähnliche Herangehensweise – wenn man so will, mein sicherer Hafen, das was ich kann, worin ich mich sicher fühle und worauf ich häufig „zurückfalle“ wenn ich mal nicht weiter komme.

Im Rahmen dieser Rückblende entstand spontan die Idee, genau eben diese Bilder zu einer kleinen Serie zusammenzubringen – „die große Bühne“. Ein weiter Begriff, schließlich stellt unsere Umwelt für jeden von uns Streetfotografen die Bühne dar, auf welcher wir unsere Kunst aufführen. Ich möchte den Begriff hier aber ganz wörtlich interpretieren…

Dabei handelt es sich um sehr graphische, minimalistische Kompositionen. In diesen stellen Architektur, Linien und perspektivische Ansichten das Hauptmotiv dar und Menschen tauchen nur klein, scheinbar unbedeutend und am Rande auf, oftmals den goldenen Schnitt stark überreizend. Immer stellen sie aber das i-Tüpfelchen dar, ohne welches das Bild flach und langweilig wäre. Und immer ist genau dieses i-Tüpfelchen das Ziel, stellt die eigentliche Arbeit und Geduld im fertigen Foto dar. Der Hintergrund findet sich meist ganz von alleine, zufällig bei Streifen durch die Stadt. In der Regel ganz schnell entsteht dann auch das berühmte Bild im Kopf. Und dann heißt es im Normalfall warten. Warten bis dieses Bild im Kopf Realität wird. Nicht selten ertappe ich mich dabei, wie ich die Zeit vergesse, mit die Beine einschlafen wenn ich 20 Minuten in der Hoffnung knie, dass endlich jemand im Bild auftaucht. Und häufig passiert eben dies nicht, dann heißt es eine neue Bühne suchen oder auf einen neuen Moment hoffen. Fallen dann aber doch alle Puzzleteile zusammen, ist es jedes Mal wieder ein sehr befreiender Moment. Ein Bild ist gemacht, der Kopf ist leer und ich bin offen für Neues…

Ich halte generell nichts von Paradigmen und mag Verallgemeinerungen wie „man ist nur ernstzunehmender Streetfotograf wenn man in Serien arbeitet“ grundsätzlich nicht. Und Fotos retrospektiv zusammenzustellen entspricht sicher auch nicht diesem Anspruch. Was ich allerdings zugeben muss, diese Bilder erstmals in dieser Form zu sehen verleiht ihnen doch nochmal eine ganz andere (und wenn vielleicht auch nur persönliche) Bedeutung. Und sich über oben gesagtes hin und wieder Gendanken, bzw. sich seine eigenen Arbeiten bewusst zu machen kann sicher sehr bereichernd sein.

Wie sieht´s mit euren Meinungen hierzu aus, eure Motivation, eure „Handschriften“…?

gerald

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