gastbeitrag: MARTIN U WALTZ – klick, klick, klick – besser ein schnelles bild als gar keines…

Wir möchten zukünftig in unregelmäßigen Abständen auch Streetfotografen außerhalb unseres Kollektivs zu unterschiedlichen Themen zu Wort kommen lassen, um so die Vielfalt, die unterschiedlichen Meinungen und Fassetten des Genres und der Streetcommunity abzubilden. Zum Auftakt freut es uns ganz besonders, einen so renommierten Fotografen für unsere Gastreihe gewonnen zu haben –

Martin, vielen Dank und der blog gehört dir…!

 

Ich vermassele die meisten meiner Bilder. Zu weit weg, Hintergrund zu unruhig, es passiert zu wenig oder seltener das Bild ist technisch unrettbar vergeigt.

Das Übliche oder wie wir bei uns im Berlin1020 Kollektiv sagen: „Irgendwas ist immer.“ Das ist tatsächlich frustrierend und es ist nur ein schwacher Trost, dass es nahezu allen anderen Straßenfotografen ähnlich geht.

Foto: Martin U Waltz

Mit diesen vermasselten Bildern kann ich gut leben: Zu Hause am Bildschirm kann ich mir in Ruhe anschauen:

– War da überhaupt etwas Spannendes?
– Was hätte ich anders / besser machen können?

Und dann lösche ich den Mist entspannt: Nach der Straße ist vor der Straße. Hoffentlich etwas gelernt und dann: Neues Spiel, neues Glück.

Womit ich schlecht leben kann, sind die Bilder, die ich nicht gemacht habe, weil ich zu langsam war oder zu lange überlegt habe.

Meine Kameraeinstellungen sind heute auf Tempo optimiert. Belichtung, Autofokus, alles auf Automatik. Und auch ich selbst auf Automatik: Wenn ich etwas sehe, was spannend sein könnte, Klick und wenn mehr passiert, weiter: Klick, Klick und Klick.

Foto: Martin U Waltz

Aussortieren und Bewerten kann ich zu Hause. Aber ich kann mich eben auch nur mit den Bildern zu Hause auseinandersetzen, die ich tatsächlich auch gemacht habe.

Die Bilder, die ich nicht gemacht habe, bringen mir nichts. Mir bleibt kein Bild für mein Portfolio und ich kann auch nicht überprüfen, ob das, was ich zu sehen meinte, auch so funktioniert hätte. Kurz: Ich kann nichts lernen.

Das nicht gemachte Bild ist einfach nur eine verpasste Chance. Der Moment ist weg und zwar für immer.

Natürlich nehme ich mir lieber Zeit und komponiere sorgfältig. Aber manchmal passiert es einfach, wie dieser Platzregen, den meine Frau und mich überraschte, als wir essen gehen wollten. Und dann heißt es: Schnell oder gar nicht. Zwischen dem 1. und dem letzten Bild liegen 1 Minute und 11 Sekunden.

Foto: Martin U Waltz

Und danach war es auch vorbei, jeder hatte sich untergestellt und der Regen ließ nach. Mehr Bilder gab es nicht.

Deshalb heißt es für mich im Zweifelsfall immer: Klick, Klick und Klick. Besser ein schnelles Bild als keines.

 

 

 

Autoreninfo – Martin U Waltz ist Fotograf, Fotografie Lehrer und Autor. Street Photography ist seine Leidenschaft. Die Straßen von Berlin sind Martins bevorzugtes Jagdgebiet.
Martin ist Gründungsmitglied des Berliner Fotografen Kollektivs Berlin1020, Herausgeber der deutschen Streetfotografie Seite und Co-Autor des Buches „Streetfotografie – Made in Germany“.
Mit seinen Bildern hat Martin zahlreiche Preise bei internationalen Fotografie Wettbewerben gewonnen. Seine Arbeiten werden international ausgestellt.

One Comment on “gastbeitrag: MARTIN U WALTZ – klick, klick, klick – besser ein schnelles bild als gar keines…”

  1. Sehr aufschlussreicher Beitrag! Und ich dachte schon nur mir geht es so 😀
    Wobei ich oft nachhause komme und kein rechtes Bild dabei ist.
    Aber es stimmt schon, wieder was gelernt und weiter machen 😉
    Vielen Dank, weiter so
    Frank

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