GSPF2023 – hut ab, marco!

Morgenstunden hat Gold im Mund?! Schon klar, 4:50Uhr ist trotzdem verdammt früh. Es ist Freitag, 22.09.23 und Samu und ich sitzen im ICE nach Hamburg, das Ziel: das dritte German Streetphotography Festival, welches wieder im Rahmen der Photopia stattfand. Einmal mehr war ja erst relativ spät klar, ob diese Neuauflage wirklich stattfinden würde und auch wir hätten uns etwas mehr Vorlauf gewünscht, zumal unser fotografisches Jahr schon mehr voll war. Aber das GSPF ist und bleibt eben doch eine der beiden großen Veranstaltungen in Deutschland. Ich war von Anfang dabei und hab das Ganze immer sehr genossen und als Bereicherung für die deutsche Streetfotografie empfunden. Zudem weiß ich, wie hart Marco Larousse kämpft und wie sehr er sich jedes Mal ins Zeug legt, um das Festival (mehr oder weniger im Alleingang) Wirklichkeit werden zu lassen. Als er bei uns in Nürnberg auf dem Meet&Street dann endlich die positive Nachricht verkündete und die versammelte Szene einlud, waren Samu und ich uns schnell einig, wir wollten wieder Teil der Veranstaltung sein, unseren Beitrag leisten und ihn unterstützen.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte diese Entscheidung zwischendurch nicht mehrfach angezweifelt. Jetzt hier im Zug tritt das aber so langsam in den Hintergrund und Spannung und Vorfreude stellen sich ein. Pünktlich angekommen machen wir uns dann auch direkt auf den Weg zur Messe und zum GSPF-Stand. Der ist dieses Jahr nochmals deutlich größer geworden und lässt die Grundidee eines Marktplatzes ganz gut erkennen. Die Bühne ist flankiert von der großen kuratierten Ausstellung, dem Community-Container mit der popup-Gallery, es gibt einen Kaffeestand und Raum zum gemütlich Quatschen und sich Austauschen. Aber das Beste, der Stand ist auffallend gut besucht – es läuft gerade ein Vortrag zur cineastischen Streetfotografie – und wir werden direkt von vielen Freunden und Bekannten warmherzig in Empfang genommen. Nach einer kurzen Stärkung steht dann auch schon der erste Programmpunkt mit unserer Beteiligung an. In einer Diskussionsrunde mit Marco und diversen Kollektivvertretern geht es um Community-Arbeit, den Wert von Netzwerken und den Beitrag der Kollektive an der Entwicklung der deutschen Streetfotografie-Szene.

Wir versuchen auf kritische Stimmen einzugehen und die individuellen Ausrichtungen und Ansichten der unterschiedlichen Gruppen darzulegen. Mein Fazit: wir Kollektive verstehen uns als Zusammenschlüsse von Freunden, ohne künstlerische Zwänge oder starre Organisationsstrukturen, prinzipiell offen nach Außen und untereinander breit vernetzt. Und auch wenn der Streetfotograf per se eher der Einzelgänger ist, sind wir uns alle einig, dass gemeinsam einfach mehr zu erreichen ist. Wir möchten sowohl lokal als auch überregional als Anlaufpunkte oder Ansprechpartner zum Thema Streetfotografie dienen, uns gegenseitig unterstützen und andere mitnehmen. Ein schönes Beispiel dafür findet sich dann auch direkt neben der Bühne in Form des bereits erwähnten Community-Containers. Hier wurde die bewährte Idee der open-Gallery zugunsten eines wohltätigen Projektes aufgegriffen und jede/jeder war aufgerufen, eigene prints mitzubringen/zu schicken. Um es kurz zu machen, das Ganze fand einmal mehr großen Anklang. Sowohl auf Seite der Fotografen – der Container wurde über das Wochenende fast dreimal komplett bestückt und es konnten am Ende gar nicht alle Bilder gezeigt werden -, als auch beim Publikum – letztlich kamen über 1000€ für das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt zusammen! Wie bunt und breit aufgestellt die deutsche Streetfotografie ist, wurde sehr schön durch eine Karte der Kollektive ergänzt durch die vielen vielen Einzelfotografen veranschaulicht – letztere symbolisiert durch viele Punkte auf der Karte, in Anlehnung an die Kontaktliste hier auf unserer Homepage.

Wie schon die letzten Male ist der allabendliche StreetphotoSlam der krönende Abschluss des Tages. Marco, Siegfried und Martin analysieren, kritisieren, zerlegen oder aber loben auch mal die anonym eingereichten Werke. Alles in gewohnt humorvoller, unterhaltsamer Manier mit einigen Aha-Momenten und hohem Lernwert. Und wie gewohnt ist dieser Programmpunkt wieder ein echter Publikumsmagnet! Ausklingen lassen wir den Freitag dann schließlich mit einem kleinen spontanen Streetwalk durch’s Carolinenviertel und dem wohlverdienten Feierabendbierchen in lustiger Runde, bevor wir ins Bett fallen, uns umdrehen und weg sind.

Am nächsten Morgen wartet dann ein Highlight des Rahmenprogrammes. Unsere Freunde vom Streetcollective.Hamburg haben zur Führung durch ihre Ausstellung „Between Worlds“ geladen. Wir konnten an der großen Vernissage im Frühjahr leider nicht teilnehmen und kannten bisher nur Bilder und kurze Videosequenzen. Diese haben aber definitiv nicht zu viel versprochen, was die Mädels und Jungs da auf die Beine gestellt haben kann sich wirklich sehen lassen – Hut ab und ganz dickes Lob! Über fünf Stockwerke finden sich, thematisch arrangiert, 160 Fotografien – großformatig, hochwertig gedruckt und edel präsentiert! Die Ausstellung beeindruckt und es macht Spaß, durch die Flure und Besprechungszimmer zu ziehen und sich die Geschichten zu den Bildern und die Entstehung von „Between Worlds“ erzählen zu lassen.

Ein kleiner Wermutstropfen, die Bilder sind, mit Ausnahme des Erdgeschosses, welches dauerhaft öffentliche Galerie mit wechselnden Ausstellungen werden soll, nicht öffentlich zugänglich. Die lieben Hamburger machen aber nahezu alles möglich und organisieren individuelle Führungen – solltet ihr also in die Stadt kommen, sprecht sie im Vorfeld an es lohnt sich auf jeden Fall. An dieser Stelle auch mal ein riesen Lob und dickes Dankeschön an die Verantwortlichen bei Intreal, die das Ganze ermöglicht haben! Von der Ausstellung geht’s dann gemeinsam zur Messe und an den Festivalstand, wo schon wieder das Vortragsprogramm läuft – KI und die Auswirkungen auf die Street- und Dokumentarfotografie. Und dann hat auch schon Samu seinen Auftritt mit dem Vortrag „Wandel bei Fotoausstellungen – virtuell oder Vernissage? „. Ein interessantes Thema, das uns während der lockdowns auch ganz unvorbereitet eingeholt halt. Unterhaltsam und kurzweilig, samt virtueller Showeinlage, bringt uns Samu beide Welten näher.

Anschließend wird das Thema im Rahmen einer Podiumsdiskussion noch vertieft. Die einhellige Meinung: die immer ausgefeilteren Möglichkeiten der virtuellen Welt können reale Ausstellungen ergänzen und bereichern, bieten v.a. einen noch breiteren Zugang, können diese aber sicher nicht ersetzen. Jeder der schon eine eigene Ausstellung realisieren durfte kennt wohl die Glücksgefühle, die eigenen gesammelten Arbeiten an der Wand zu sehen und seinen Besuchern Rede und Antwort zu stehen. Und auch für den Betrachter ist es ein ganz anderes Erlebnis und es werden weit mehr Sinne angesprochen als beim virtuellen Betrachten von Bildern am Bildschirm. Ganz in diesem Sinne finden wir dann auch endlich die Zeit, uns die kuratierte Ausstellung zum Thema „Wandel – Change“ eingehender zu betrachten. Jeder konnte Bilder einreichen und es ist Martin, Siegfried und Marco gelungen, aus diesen eine sehr stimmige und ansprechende Auswahl an 50 Bildern zusammen zu stellen. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte und Interpretationen von Wandel gezeigt – gesellschaftlich, kulturell, technisch, Aspekte wie die Energiewende werden thematisiert und ein wenig kann man auch den stilistischen Wandel in der Streetfotografie erkennen. Es geht Schlag auf Schlag und nach dieser kurzen Atempause steht mein Vortrag an. Zusammen en mit Jens vom Hamburger Kollektiv darf ich das Meet&Street vorstellen „- von der Idee zur Institution“ lautet unser Untertitel. Gemeinsam führen wir durch die kurze Geschichte, bringen viele Eindrücke und Stimmungen, legen den besonderen Charakter des Treffens dar und gehen auf bereits Erreichtes sowie die Herausforderungen für die Zukunft ein. Läuft super und macht richtig Spaß, sich mit Jens abzuwechseln und sich ganz ungezwungen die Bälle zuzuwerfen – als hätten wir es schon hundert mal gemacht. Im Vorfeld gab es kritische Stimmen und man mag sich jetzt auch wieder fragen – GSPF und Meet&Street, muss das sein, brauchen wir das?! Jens und ich sind uns zumindest einig, JA. Die beiden Veranstaltungen ergänzen sich durch ihre unterschiedlichen Ausrichtungen hervorragend, sie sprechen unterschiedliche Zielgruppen an und bieten uns entsprechend auch unterschiedliche Optionen uns und unsere Passion zu präsentieren. Und ich glaube, das haben wir, nicht nur wir beide und durch unseren Vortrag – nein, das ganze Wochenende war ein einziges Plädoyer für die Streetfotografie.

So, die Pflicht erfüllt bleibt nun auch noch Zeit und Muse für einen Rundgang über die Photopia. Diese bietet wirklich ein tolles Ambiente, sämtliche Stände sind aus Übercontainern errichtet, alle großen Namen der Branche sind anwesend und geben Einblick in ihr Repertoire an Kameras, Objektiven, Filmen, Fotopapier… Überall finden sich Ausstellungen und auf diversen großen und kleinen Bühnen gibt es Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen. Ein besonders attraktiver Stand findet sich gleich neben dem GSPF, Krohme-Land, der sich ganz dem Thema „Analog“ widmet. Schön zu sehen, dass neben der ganzen digitalen Technik und dem Thema KI sich eben dieser extremer Beliebtheit erfreut. Ähnlich wie ein kleiner feiner Stand zwei Reihen weiter, an dem sich alles um Super8 „dreht“. Ein Bonbon nehm ich noch mit, Fuji bietet eine kostenlose Reinigung und Wartung an und nach 15 Minuten strahlt meine X100 wie neu. Was bleibt? Klar, Photo Slam! Und diesmal werden wir um 18Uhr im wahrsten Sinn  des Wortes von der Security aus den Messehallen gefegt. Aber egal, wir veranstalten einfach unser spontanes kleines Meet&Street und versacken mit lieben Freunden aus Hamburg beim Griechen auf der Schanze – Heimspiel, St. Pauli gewinnt, Ouzo, um nur die wesentlichen Stichpunkte zu nennen…

Seltsamerweise beginnt dann der Sonntag mit Kopfschmerzen und viel zu früh – um 6:30Uhr klingelt der Wecker, immerhin hatten wir uns vorgenommen, über den Fischmarkt zu ziehen. Und man mag’s kaum glauben, wir haben es geschafft und nach jeweils einem Fischbrötchen zum Frühstück unsere Bildquote ordentlich aufgebessert! Nachdem Samu schließlich noch seine lang ersehnte Hafen“rund“fahrt bekommen hat, trennen sich unsere Wege. Ich muss spontan früher abreisen und er peilt nochmal das GSPF an, um den letzten Vorträgen zu lauschen…

So, was bleibt nun mit einer Woche Abstand rückblickend als Resümee? Ich bin froh und bereue nicht, nach Hamburg gefahren zu sein. Die dritte Auflage hat das GSPF, sowohl inhaltlich als auch bezogen auf die Größe wieder einen ordentlichen Schritt nach vorne gebracht und kann guten Gewissens als Erfolg bezeichnet werden. Gratulation, Dank und Lob an das ganze Team, insbesondere Marco Larousse für diese Leistung! Erwähnt werden muss natürlich auch der Sponsor MPB, ohne den das Festival in der Form nicht möglich gewesen wäre – danke euch! Bleibt noch die Photopia, welche die Bühne bereit gestellt hat – vielen Dank! Für die Zukunft wären von letzterer eine zuverlässige und v.a. frühzeitige Kooperation und Zusage wünschenswert um den planerischen und organisatorischen Druck zu entschärfen. Es wurde jetzt zweimal unter Beweis gestellt, was trotz kürzester Vorlaufzeiten möglich ist und welche Bereicherung das Festival für die Photopia darstellt. Nicht nachvollziehbar und sehr schade ist daher auch die äußerst marginale Beachtung des GSPF im Rahmen der offiziellen Berichterstattung sowohl im Vorfeld als auch jetzt im Nachgang. Betrachtet man die Kanäle der Photopia, hat das GSPF praktisch nicht stattgefunden. Aber auch wir als Street-Community müssen uns an die eigene Nase fassen. Es gab viel Kritik im Vorfeld, welche von kurzer Planungszeit über Ausrichtung und fehlende Integration reichte. Viele Kritikpunkte aus der Vergangenheit wurden ernstgenommen und bereits umgesetzt. Die Unterstützung und der Beitrag aus unseren Reihen war dagegen verschwindend gering und wir müssen uns fragen, wie man uns so als verlässlichen Partner für die Zukunft ernst nehmen soll? Wir müssen nicht alle auf der Bühne stehen, es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, sich einzubringen. Und wenn es nur in Form von „Präsenz zeigen“ ist oder auch ganz banal im Vorfeld zu werben. Vor dem Meet&Street liefen die social-media-Kanäle heiß, man kam praktisch nicht am Event vorbei, es gab Berichterstattung in der Soul of Street und diversen anderen Medien. Warum schaffen wir dies nicht auch für das GSPF?

In diesem Sinne, nutzen wir doch die nächsten zwölf Monate und planen einfach schon mal für 2024 in der Hoffnung, dass es eine Fortsetzung geben wird. Das Datum für die Photopia stünde ja schon mal fest – 10.-13. Oktober ’24 – und wenn wir uns drei Monate früher alle ein erstes Mal in Hamburg treffen, können wir ja schon mal üben und zeigen, wie gut unsere Community funktioniert…

Bis dahin, die besten Wünsche,

Gerald

Aber halt, da war noch was! Wir waren ja im Auftrag von Wolfgang für den unposed.podcast auf Stimmenfang – eine tolle Erfahrung und das Ergebnis kann sich hören lassen, überzeugt euch selbst…

Und last but not least: Samu! Wie waren deine Eindrücke, möchtest du was ergänzen und was hab ich Sonntagnachmittag noch verpasst?

Direkt beim Ankommen in Hamburg konnte ich es kaum erwarten auf das Gelände zu kommen. Am Ende habe ich die meiste Zeit auf dem Stand des GSPF verbracht. Allein dort war schon soviel geboten, dass ich gar nicht weggekommen bin und auch nicht musste. Alte und neue liebgewonnene Menschen mit denen man sich ausgetauscht hat, aber auch das sehr schöne Konzept aus zwei Ausstellungen rechts und links der Bühne, die sich in den Schiffscontainern fortgesetzt haben. Der Kaffeestand, bei dem man sich vor dem nächsten Vortrag einen Kaffee holen konnte. Alles wirkte sehr durchdacht und Marco Larousse hat die Anmoderationen und Präsentationen hervorragend eingeleitet und die Lust auf mehr geweckt. Mein persönliches Highlight war mein erster Solovortrag über das Thema „Wandel bei Ausstellungen – Vernissage oder virtuell“, wo ich über das Pro und Contra aber auch Erfahrungen gesprochen habe bei der Gegenüberstellung von den Vernissagen unserer vergangenen Jahresausstellungen und unsere virtuelle Ausstellung im MetaVerse, die während der Pandemie entstanden ist. Die Moderation der anschließenden Podiumsdiskussion bei der ich auch ein Teil war (neben Bastian Hertel und Martin U. Waltz), wurde durch Marco Larousse wunderbar gelenkt.
Ein anderes Highlight war auch die Ausstellung unserer sehr guten Freunde vom Hamburg Streetcollective. Die Ausstellung mit dem Titel „Between Worlds“ hat ihrem Namen alle Ehre gemacht. Eine unglaubliche Vielfalt an Streetfotos verteilt auf 4 Stockwerken inkl. der Besprechungsräume. Thematisch unterteilt und hervorragend durchdacht. Die Führung wurde durchgeführt von den Mitgliedern selbst aber auch Siegfried Hansen hat eine Gruppe durch die Ausstellung geführt. Beim anschließenden Fotowalk zur Messe habe ich eher weniger fotografiert. Dafür aber das schöne Wetter genossen und die Unterhaltung mit den anderen.
Da ich diesmal auch bisschen Podcast-Luft schnuppern durfte, habe ich die Gelegenheit genutzt und immer wieder kurze Interviews geführt in meiner Rolle als sidekick für den Unposed Podcast von Wolfgang. Die Versuche ein Interview zu führen als wir Samstag Abend mit unseren Freunden vom Streetcollective Hamburg abends beim Essen waren, sind jedoch kläglich gescheitert. Trotz der vielen Wortwitze an diesem Abend :D.
Am Sonntag konnte ich dann auch mal die anderen Stände besuchen und war beeindruckt von dem Erlebnis das geboten wurde. Insbesondere die Stände die sich mit der analogen Fotografie beschäftigen haben mich angezogen, so dass ich mit paar Rollen Film im Gepäck Sonntag Abend nachhause gefahren bin.
Insgesamt war es ein wunderschönes Wochenende. Eigentlich passt der Begriff „Messe“ nicht richtig. Es war ein Erlebnis!

Samuel

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