gastbeitrag: Dirk Trampedach – „Street Photography – Kreativer Seelenfrieden“

Unsere Begegnung mit Dirk fand im Rahmen unseres Mega-Events „meet and street 2023“ im vergangenen Juli in Nürnberg statt (hier auch ein Artikel von Dirk auf fotowissen.eu: Link). Trotz eines langwierigen Staus schaffte es Dirk rechtzeitig zu unserer Veranstaltung und überraschte uns mit einem wunderschönen Fotobuch seiner Werke. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal herzlich bei Dirk bedanken – das Buch hat einen Ehrenplatz in unserer Kollektiv-Bibliothek gefunden :).

Dirk ist nicht nur ein leidenschaftlicher Streetfotograf, sondern auch Redakteur für die renommierte Website „fotowissen.eu“, die wir euch sehr empfehlen können. Im August und Oktober erzählte er uns von seinen spannenden Plänen, Deutschland mit seinem Camping-Bus zu bereisen. Da Nürnberg ebenfalls auf seiner Route lag, haben wir gemeinsam mit Dirk eine kleine Tour geplant, bei der wir nicht nur viel Spaß hatten, sondern auch von Dirk einen sehr schönen Artikel auf „fotowissen.eu“ veröffentlicht wurde.

Es war für uns sofort klar, dass wir auch in unserem eigenen Blog einen Platz für Dirks inspirierende Geschichten schaffen wollten. Lieber Dirk, die Bühne gehört nun dir…


Street Photography – Kreativer Seelenfrieden

Es gibt Sachen, die sind einfach nur überraschend schön! Eine davon war, als Samuel mir schrieb, dass das Nürnberg Unposed Colllective cool finden würde, wenn ich ihnen einen Gastbeitrag in den Blog schreiben würde. Ja, bitte, was denn zum Beispiel? „Ach, naja, Streetfotografie, wir sind da recht offen, passt schon…“ OK, also, es ist nicht davon auszugehen, dass mich und meine Fotografie alle Leserinnen und Leser dieses Blogs kennen. Von daher ist mein Beitrag eine Mischung aus ein bisschen eigener Vorstellung geworden, mit ein paar allgemeineren und individuellen Gedanken und Ansichten zur Streetfotografie, und ein paar meiner Fotos. Für euer Interesse bedanke ich mich, und bedanken möchte ich mich sehr gerne für die Einladung, mich genau hier äußern zu dürfen.

Meine Art Fotografie

Um zu verstehen, wie ich Fotografie interpretiere, sollte ich vielleicht vorwegschieben, dass ich per Definition eine klare Trennung habe zwischen Fotografie und Nachbearbeitung. Nachbearbeitung ist für mich durchaus relevant, aber ich erkenne darin keine Fotografie. Seitdem ich fotografiere, ist das so. Die Fotografie als solche hört auf, wenn ich den Auslöser betätige. Alles danach ist Nacharbeit. Meine Fotografie findet bislang ausschließlich im Format JPEG statt. Ob das so bleiben wird, möchte ich mir offen lassen. Aktuell ist es allerdings so, dass ich RAW nicht vermisse. JPEG unterstützt auf geniale Weise meine Art, wie ich Fotografie denke und anwende. Im Wissen darum, wenig Einflussnahme nach dem Auslösen zu haben, kann und möchte ich mit handwerklich guter Fotografie vorab alles einbringen, zu was ich imstande bin. Das bringt mich immer wieder an die Stelle, genau zu schauen, was gerade wichtig ist, und dass ich mein Hauptaugenmerk auf das Gelingen vorm Auslösen legen muss. Dabei geht es ums Thema, das Bildformat, den Look, farbig oder monochrom, und auch darum, welches Objektiv ich verwenden werde. Meistens bleibt es auch bei nur einem einzigen. Und ganz ehrlich, ich mag das. Meine Fotografie lebt von dem Bewusstsein, dass meine Möglichkeiten der Einflussnahme begrenzt sind. Unperfekt ist nicht gleichzusetzen mit schlecht. In dieser Grundlage steckt möglicherweise eine Form von Demut, die mich lehrt, dass durch mich, einem unperfekten Wesen, ein möglichst gutes, aber ebenso unperfektes Foto entstehen darf.

Street Photography

Für mich stand über lange Zeit fest, ein Landschaftsfotograf zu sein. Oder zumindest, einer werden zu wollen. Raus in die Natur, das Stativ auf der Schulter, und dann unfassbar geile Fotos machen, und ich habe lange gedacht, dass ich genau das bin. Ihr könnt es euch denken, ich kürze ab: Das war ich nicht, und das bin ich nicht. Außer, mich leidenschaftlich gerne mit klassischen Automobilen und deren Besitzer auseinanderzusetzen, und allem, was ich unter persönlichen Reiseberichte verbuchen würde, hat sich die Priorität unweigerlich kanalisiert dorthin, was mir und meiner Fotografie entspricht. Seit gut 4 Jahren zieht es mich nun mehrmals wöchentlich hin zu den Menschen in den Städten, und tief hinein in die Straßen und Gassen, und ich kann mir kaum mehr vorstellen, wie das vorher ohne funktioniert hat.

Mir ist es ergangen, wie wahrscheinlich allen Street-Beginners. Mit Skepsis, Unsicherheit, Furcht vor der eigenen Courage, und ganz bestimmt auch der Frage, was genau im eigenen Fokus liegt, wagt man erste Schritte. Und erste Fotos. Recht schnell habe ich entdeckt, dass mich meine eigenen Street-Fotografien langweilen, wenn der Hauptanteil des Motivs keine Menschen abbildet. Und das wiederum hat sich dahin gehend entwickelt, dass ich Gesichter fotografieren möchte. Nicht im Stil eines Bruce Gilden. Aber nah dran, eingebunden in Szenen oder urbanen Raum, und möglichst so, dass es eine eindeutige Aussage, bestenfalls Interaktion enthält. Ehrlicherweise würde ich selbst viele meiner Fotografien eher mit Street-Portraits, als mit Street-Photography bezeichnen. Einzig, es doch nicht zu tun, resultiert aus meiner Auffassung heraus, dass ein Street-Portrait erst dann eins ist, wenn es erfragt, erlaubt, und möglichweise einer kleinen Choreografie gefolgt ist. Dem unterliegen meine Fotografien aber nahezu nie. Die eher intuitive Herangehensweise ist etwas, das mich total inspiriert.

Positive Street-Photography

Positive Street-Photography zeigt sich für mich vielschichtig. Da ist sicher der ethisch-moralische Aspekt zu nennen, der irgendwie auch in Abgleich mit der Datenschutz-Grundverordnung einher geht. Mein Ansatz an eine positive Street-Photography geht aber etwas weiter, oder auch daran vorbei. Positive Fotografie meint auch, die Motivauswahl nicht an dem zu orientieren, was nicht geht. Ich möchte daher versuchen, stilistisch gute Street-Fotos zu machen, die ganz bewusst den DSGVO-Grenzbereich treffen. Durch Diskussionen, die dadurch entstehen, lässt sich Transparenz und Akzeptanz aus erster Quelle erfahren, nämlich durch uns Street-Photographers. Es ist ein Weg der kleinen Schritte, vielleicht auch Rückschläge, doch ich denke, das gilt es aushalten. Ich bin überzeugt davon, dass sich intuitive Streetfotografie nicht vor jedem Foto neu denken lässt. Speziell das, was meine Intention ist, nämlich Menschen + Gesichter im urbanen Raum sichtbar zu machen, ist wirklich schwierig. Positive Fotografie meint daher auch, eine Fotografie machen zu dürfen, die sich am Möglichen, und nicht am Unmöglichen orientiert. Dass das teilweise einem Ungehorsam gegenüber bestehender Verordnungen gleichkommt, könnte ich es nur umgehen, indem ich damit aufhöre. Schwer vorstellbar gerade. Aus allen bisher entstandenen Kontakten, Diskussionen und auch Disputen, hat sich tatsächlich immer etwas Positives entwickeln lassen. Das macht mir Mut, und zeigt, dass die Akzeptanz eigentlich höher ist, als der gesellschaftliche Reflex, die anwaltliche Keule zu schwingen. Die Kunst in allem ist, abzuwägen, was ich unterwelchen Bedingungen veröffentlichen kann, und was nicht.

Lasst die Fotos frei!

Die große Frage, was wir machen können oder sollen mit unseren Fotos, kann ich für mich definitiv beantworten: Lasst die Fotos frei! Es ist so wunderbar, Fotos zu schauen! Die Reihe von Fotobüchern anderer Fotografen*innen bei mir daheim wird immer länger. Ich selbst hänge meine eigenen Fotos in der Wohnung auf,  mache kleinere Ausstellungen, und bin aktuell dabei, den zweiten Bildband Street Photography fertigzustellen. Abgesehen davon, dass mir das riesig Freude bereitet, wünsche ich mir sehr, auch Leute zu motivieren, die aufwändig gemachten Fotos nicht im Rechner vergammeln zu lassen. Fotos gehören ans Licht. Außerdem sind gezeigte Fotos die einzige Gelegenheit, sich darüber auszutauschen. Was wir in Form von konstruktiver Kritik, Tipps und Tricks erfahren, geht nur, wenn wir unsere Fotos präsentieren. In alledem steckt das Potential, sich beständig weiterzuentwickeln. Dazu zählt auch, Ausstellungen Dritter zu besuchen. Was da an Inspiration und eigenen Ideen zutage kommt, erlebe ich dieser Form genau nur so. Reale Fotos, reale Gespräche, reale Tipps, Tricks und gegenseitiges Fordern und Fördern.

Kreativer Seelenfrieden

Schaue ich heute auf mich und meine Fotografie, sieht das völlig anders aus, als es noch vor wenigen Jahren schien. Und es sieht vor allem völlig anders aus, als ich mir das selbst hätte vorstellen können. Ob ich ein Teil von Streetfotografie bin, oder sie ein Teil von mir, stimmt seltsamerweise beides. Daher wäre das Schlimmste, was man mir im Hinblick auf meine Fotografie heute sagen könnte, es bloß als Hobby zu bezeichnen. Hobbies sind, so wie ich das auffasse, Lückenfüller. Sie dürfen sein, wenn es passt. Und wenn nicht, dann nicht. Hobbies müssen auch nicht zwingend etwas „mit einem machen“. Fotografie, wie ich sie seit einigen Jahren betreibe, hat etwas mit mir gemacht. Doch wenn es nun kein Hobby ist, was bitte dann? Ich denke viel eher, Fotografie, und da ganz besonders die Streetfotografie, hat Chancen entwickelt, eine für mich alles prägende Sicht darauf zu bekommen, wie ich, oder wie wir alle durchs Leben schreiten. Es ist schwierig, Worte zu finden dafür. Er fühlt sich echt und lebendig an, dieser „way of life“ mit Kamera. Es ist gut möglich, dass die Street-Photography mich zu der Person werden lässt, die ich schon längst hätte sein können. Bin ich jetzt endlich wieder mit Kamera draußen, und tauche ein ins Leben der Städte, fühlt sich alles leichter an, und gleichzeitig stellt sich eine Intensität ein, die sonst über lange Zeit so nicht vorhanden zu sein schien. Wenn ich unterwegs bin, verliere ich teilweise das Gefühl für Raum und Zeit. In diesem Losziehen mit Kamera, in diesem sich Ausliefern in Zufälle, in diesem nach Motiven lechzenden Eintauchen in die urbane Welt der heimlichen Sensationen, in allem darin steckt für mich mein kreativer Seelenfrieden.

Ein paar Worte zum Schluss

Der positive Flow, den Streetfotografie auslöst, ist herrlich mitreißend. Wir machen eine tolle, teils blitzschnelle Fotografie einzigartiger Augenblicke und Motive. Und das eingebettet in eine Szene, eine Community, die in recht kurzer Zeit sehr viel erreicht hat. Was es braucht, sind u.a. so geniale Plattformen wie diese hier, hinter denen letztlich Leute mit Leidenschaft stehen. Es ist wunderbar, dabei zu sein. Euch Allen weiterhin eine erfolgreiche, beseelte Fotografie!

Herzliche Grüße von der Straße,

Dirk Trampedach

Eigene Webseite: www.dt-classics.de

Redaktionsmitglied: www.fotowissen.eu

Freier Autor: Westfalia Register Post

Mitglied: DVF – Deutscher Verband für Fotografie Mitglied: DFJV – Deutscher Fachjournalisten Verband

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