Die ersten Gerüchte kamen kurz nach unserem Kollektiv-Treffen in Frankfurt (hier nachzulesen: Blog).Es wird im Rahmen der Photopia auch am zweiten German Streetphotography Festival (GSPF) gearbeitet. WOW, dachte ich mir, die Szene bleibt richtig gut in Bewegung. Ein Mega-Event nach dem anderen.
Ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie bzw. was genau geplant wird habe ich mir schonmal den geplanten Termin unter Vorbehalt reserviert. Nach einigen Wochen wurden die Pläne konkreter und somit stieg auch die Gewissheit, dass es stattfinden wird. Als dann Marco Larousse uns in unserer monatlichen Telefonkonferenz besucht hat und uns von den Plänen bzw. dem Konzept erzählt hat, waren wir schon heiß drauf. Die Anfahrt von Chris, Marc, Gerald und mir (Samuel) wurde schnell organisiert.
Trotz der kurzen Vorbereitungszeit und aller Widerstände zum Trotz, wurde von Marco Larousse und dem ganzen Team eine wunderschöne German Streetphotography Festival Area auf die Beine gestellt, die sich nahtlos in das restliche Konzept der „Containerstadt“ Photopia einfügt. Man hat sich nicht wie sonst auf einer sachlich-kühlen Messe gefühlt, in der man von einer grellen Halle in die nächste läuft. Die ganze Messe war wie eine große Bühne inszeniert.
Kaum in der Messehalle angekommen, hat uns schon das Festival-Fieber gepackt. Zusätzlich zur Vorfreude unsere Freunde bzw. Streetfamily zu treffen waren wir uns im Kollektiv von vornherein sicher, dass wir hier auch inhaltlich beitragen möchten. Wie wir beigetragen haben und wie unsere Erlebnisse waren, schildert Gerald in einem Erlebnisbericht der euch auf das Festival mitnimmt…
Es war Anfang August als ich mich in Hamburg spontan mit Marco Larousse traf und er mir von seinen monatelangen Bemühungen erzählte, die Zweitauflage des GSPF zu verwirklichen. Stand zu diesem Zeitpunkt – nix genaues weiß man nicht, aber…
Nun stand ja auch die photopia Hamburg in den Startlöchern und Ziel sollte es sein, eben diesen Rahmen zu nutzen und die Streetfotografie in und aus Deutschland würdig zu repräsentieren – Volltreffer, wie wir ja inzwischen wissen! Marco erzählte mir von den massiven Hürden bei der Umsetzung und Planung, die zusätzlich durch die aktuellen Pandemiebeschränkungen noch einmal erschwert wurden. Er weihte mich in seine Pläne ein, wie schon beim ersten Festival 2019, auch die Kollektive wieder aktiv mit einzubinden und so kam eins zum anderen.
Ohne, dass es so geplant gewesen wäre, fand ich mich peu à peu in der Organisation eben dieser Beteiligung wieder. Immer noch beschwingt von der tollen Stimmung unseres meet n´street in Frankfurt rissen mich Marcos Begeisterung und sein unermüdliches Engagement für unser Genre schnell mit. Und so begann zwar kein langer aber ein doch intensiver Weg bis zum letzten Wochenende im September – 23. – 26.09.2021 (das offizielle go mit finaler Unterzeichnung der Verträge kam keine drei Wochen vor dem Festival)…
Eines darf dann hier aber auch zunächst einmal laut ausgesprochen werden. Auch wenn so eine Veranstaltung gewiss nicht alleine geschultert werden kann, seit 2019 mehrere Namen dafür synonym stehen und viele Leute Dank verdient haben, das Gros der Arbeit blieb wohl bereits damals und diesmal umso mehr an einer Person hängen – Ehre wem Ehre gebührt, hierfür ein riesengroßes Dankeschön, lieber Marco!
Und die Mühen haben sich gelohnt. Auch wenn es im Vorfeld durchaus kritische Stimmen gab, sei es bezogen auf die kurze Vorlaufzeit, die Rahmenbedingungen innerhalb der Messe oder auch die „exklusive“ Beteiligung der Streetkollektive. Hier und da war folglich durchaus auch Überzeugungsarbeit nötig, aber ich glaube, alle die beteiligt und vor Ort waren, können bestätigen, das Ganze war ein voller Erfolg. Letztlich ging es darum, unser Genre nach Außen zu präsentieren und, gerade mit Blick auf die Kürze der Vorbereitungszeit, eine Empfehlung für die Zukunft abzugeben. Und das haben wir getan…
„Sinn und Wandel – mind an change“ war das Motto, unter dem das Festival stand. Hierzu gab es zwei Ausstellungen, präsentiert an Überseecontainern auf unserem eigenen Messestand. Einerseits großformatige, handverlesene Beiträge der bekannten Namen, zum anderen die Guerilla-style-Ausstellung der Kollektive, welche in Eigenregie erstellt und präsentiert wurde. Des Weiteren Vorträge zur Streetfotografie und geführte Fotowalks. Nicht zuletzt war das Festival aber auch Begegnungsstätte, bot die Möglichkeit zum socializing, zur Vernetzung untereinander und für uns die Möglichkeit, unsere Begeisterung für die streetphotography weiterzugeben.
Vor Ort vertreten waren, über das Wochenende verteilt, das Rostock Street Collective, die unposed society hannover, wir vom nürnberg unposed collective sowie das streetcollective hamburg. Letztere Übernahmen am ersten Tag das Aufhängen unserer gesammelten Werke – Küsschen an Julia und Simon!! Nebst oben genannten Gruppen zierten zudem Bilder aus München (munich street collective) und Köln (streetphotography cologne) die Containerwand. Leider spielte uns die Post aber einen kleinen Streich und so gingen die Fotobeiträge von offPerspektive sowie collateral eyes auf dem Weg nach Hamburg verloren… Trotz allem eine sehr stimmige und gelungene Ausstellung, welche beim Publikum sehr gut ankam und, wie auch schon bei der Guerilla-Ausstellung in Frankfurt, Ausgangspunkt für viele tolle Gespräche war. Und gleich noch eine weitere Parallele – ab 17Uhr wurde unsere Bilder für das Publikum zur Mitnahme freigegeben und schnell war der Container leer. Zu dem Zeitpunkt waren wir allerdings schon fast wieder zuhause in Nürnberg…
„Unser“ Festival begann am Freitagmorgen pünktlich um 5Uhr am Bahnhof in Nürnberg. Samu, Marc und ich machten uns, noch im Halbschlaf, auf nach Hamburg. Je wacher wir wurden, umso mehr stellte sich die Vorfreude ein. Daneben aber auch schon eine gewisse Nervosität, schließlich würden wir vor den Messebesuchern auch kurze Vorträge halten – aber eins nach dem anderen. Die Bahn hielt mal Wort und Julia vom Hamburger Kollektiv überraschte uns als Empfangskomitee. Über einen kurzen Umweg ins Hotel ging´s dann auch pünktlich zur Messe, um noch die Vorträge von Marco Larousse, Siegfried Hansen und Martin Waltz auf einer der großen Hauptbühnen zu verfolgen. Streetfotografie erlebt gerade einen richtigen Hype, zieht Leute an und war, abgesehen vom Festivalstand, auch auf der übrigen Messe überall zu sehen. Und so waren auch diese Vorträge gut besucht.
Danach ging´s dann das erste Mal an unseren Festivalstand – Halle 4, Stand 147 – und wir waren begeistert. Ich persönlich konnte mir nicht vorstellen, wie so etwas wohl aussehen könnte. Es gab ja bereits Bilder und kurze Filmchen vom Stand, die wurden der Realität aber bei Weitem nicht gerecht. Unmittelbar neben dem Sponsor Lumix gab es eine kleine aber feine Bühne, gerahmt von Überseecontainern mit Streetfotos, davor chillige Sitzsäcke und beach chairs. Insgesamt alles sehr professionell, stylisch und rundum stimmig. Nach einem kurzen Rundgang mischten wir uns dann auch unters Volk und standen den Besuchern unserer Ausstellung Rede und Antwort – Samu, unser Kollektiv-marketing-Experte, war sofort in seinem Element, machte über das gesamte Wochenende unermüdlich Werbung für uns und unsere Sache, begeisterte, verteidigte die Streetfotografie gegenüber Anwälten und knüpfte Kontakte… 😉
Die ersten Freunde und bekannten Gesichter trafen am Stand ein und es war gleich wieder diese Begeisterung für eine gemeinsame Passion zu spüren, welche ungemein verbindet und bereichert. Einmal mehr fühlten wir uns als die große Familie, die wir inzwischen wohl wirklich sind. Und ganz spontan kam es dann noch zu einem schon, seit Längerem geplanten, Interview. Kai Behrmann, der für seinen Foto-podcast Gate7 einen Beitrag über die deutschen Streetkollektive plant und diesbzgl. auch schon via zoom mit uns in Kontakt war, kam zu uns an den Stand. Zusammen mit den Kollegen aus Hamburg und Hannover durften wir uns und unsere Sicht der Dinge präsentieren – man darf gespannt sein… (Nachtrag 14.11.21 und hier nun die Folge!)
Am späten Nachmittag fand dann, nebst weiteren Vorträgen, auch ein erster, seit der Festivalerstauflage 2019 berüchtigter, streetphotography slam statt. Martin, Siegfried und Marco interpretierten und beurteilten live auf der Bühne zuvor nicht gesehene Bilder, welche jeder online einreichen konnte – teils witzig, teils ironisch immer aber gnadenlos ehrlich und direkt… Und es hagelte mehr Kritik als Lob, der ein oder andere mag sich auch ein wenig angegriffen gefühlt haben. Alles in allem war das Ganze aber doch sehr leerreich und es ist wohl nie eine schlechte Idee, sich und seine Bilder ab und an auch mal fremder Kritik zu stellen. Vergessen sollte man dabei aber nicht die Eingangsworte: es handelt sich immer um eine betont subjektive Einschätzung.
Den krönenden Abschluss des ersten Tages bildete dann das Abendessen. Und ich hätte nicht geglaubt, dass das möglich wäre aber ja, eine Stunde vor dem Laden anstehen und dann nochmal 45 Minuten warten, um zu bestellen, haben sich gelohnt – Dulf´s Burger, deine mudda, leeega! Einen ersten Versuch, zwischendurch auch fotografisch etwas aus Hamburg mitzunehmen, würde ich als kläglich gescheitert beurteilen…
Am nächsten Morgen ging´s dann irgendwie doch viel zu früh wieder los, aber der Samstag bot schließlich ein highlight nach dem anderen. Pünktlich um Zehn waren wir wieder an der Messe und es ging, die Jungs aus Bremen sowie das Rostocker Kollektiv im Schlepptau, an den Festivalstand. Der Publikumsverkehr und damit auch der Andrang an unserem Stand war nochmal deutlich mehr als tags zuvor, was unserer Nervosität nicht zwangsläufig entgegen kam aber wat mutt dat mutt. Siegfried eröffnete die Vorträge und nebenher wurde schnell noch ein zweiter Fotoslam organisiert – danke an alle, die so kurzfristig noch(mal) Bilder eingereicht haben. (Und an Samu: ist es nicht beruhigend, dass doch auch noch Leute passable Fotos abliefern…? 😀 )
Und dann war es soweit, unsere Auftritte und dann auch noch live gestreamt. Marc und Samuel machten souverän den Anfang und gewährten Einblicke in den Alltag eines, unseres Streetfotografie-Kollektivs. Sie zeigten, was trotz Pandemie möglich ist und war und wie wir es geschafft haben, nicht einfach alles hinzuschmeißen. Es ging um Fotowalks, video-meetings, (virtuelle) Ausstellungen, Treffen mit Freunden und am Ende darum, wie sehr uns die Fotografie verbindet und was uns die community gibt. Da durfte natürlich ein kurzer Bericht vom meet n‘ street und v.a. der dortigen Guerilla-Ausstellung nicht fehlen. Wer den Vortrag unerklärlicherweise verpasst hat – Popcorn bereit halten und zurücklehnen….
Nach kurzer Pause ging´s dann direkt weiter, ich durfte mein Herzensprojekt „Farbe bekennen“ vorstellen, vom initialen Moment über diverse Zwischenstationen zum aktuell laufenden Projekt. Wer es nicht kennt, es geht darum, auf Diskriminierung und Alltagsrassismus aufmerksam zu machen, dafür zu sensibilisieren und Betroffenen Gesicht und Stimme zu geben. Und jeder kann seinen Teil dazu beitragen, let the dream come true…
Schlag auf Schlag folgten weitere Vorträge, ein weiterer Fotowalk, zu dem Zeitpunkt waren wir allerdings schon unterwegs zum nächsten highlight. Parallel zur photopia gab es bei Meister Camera einen streetphotography day. Neben wiederum hochkarätigen Vorträgen von Siegfried Hansen und Pia Parolin stellten sich unsere Freunde vom jungen streetcollective hamburg vor. Das durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen und das dachten sich auch viele andere, der Laden war bis obenhin voll. Und wir wurden nicht enttäuscht, eine extrem sympathische und aktive Truppe, die vor Ideen und Kreativität nur so sprüht. Und echte Entertainer obendrein, der Beitrag von Jens und David war der Hammer. Ich glaube, aus Hamburg wird man noch vieles sehen – die gesamte Szene wartet und freut sich drauf!! Und dann gab´s auch dort eine popup-Ausstellung. Jeder konnte Bilder mitbringen, das Motto war: die längste Streetfotografie-Galerie der Stadt. Sollte geklappt haben, an den Schaufenstern war am Ende zumindest kein Platz mehr.
Begrüßungen, Kennenlernen, socialicing und networking folgten und dann ging´s, bei strahlendem Sonnenschein, endlich auch nochmal auf Fototour. Zusammen mit Tammo von der unposed society hannover machten wir uns auf den Weg – Innenstadt, Hafencity, Landungsbrücken (kurzer Zwischenstopp am Kiosk auf ein Alsterwasser mit Oli Krumes) und zurück zur Elphi. Als das Licht dann endgültig weg war, führte unser Weg nochmal zurück ins Karolinenviertel, wo die Hamburger Kollegen am Kiosk Messe schon auf uns warteten. Bei Bier und grandioser Pizza von nebenan, ließen wir den Tag gemeinsam mit lieben Freunden so ausklingen. (Eine kleine Anekdote aus der wunderbaren Welt des Samuel möchte ich hier nicht unterschlagen. Während dieser auf seinem unermüdlichen Werbefeldzug auf der Toilette ein passendes Plätzchen für einen nürnberg unposed-Sticker sucht, pinkelt sich hinter ihm ein älterer und nur leicht angetrunkener Herr beinahe in die Hose. Nicht ohne seinem Unmut lautstark Ausdruck zu verleihen…)
Am nächsten Morgen wollten wir natürlich unbedingt noch den Fischmarkt mitnehmen und hatten uns entsprechend die Wecker gestellt. Hm, wir hätten auf die guten Ratschläge hören sollen – Fischmarkt Covid-konform ist nicht das, was man sich eigentlich vorstellt. Also wurd´s dann letztlich nur ein morgendlicher Spaziergang durch das vermüllte St. Pauli inkl. Reeperbahn. Gesehen, abgehakt. Den Rest des Vormittags verbrachten wir dann damit, in bester Fotografenmanier spot für spot unseren Weg zum Bahnhof zu meistern. Während wir uns am Ende schließlich mit Verspätung und im maßlos überfüllten, weil defektbedingt um die Hälfte der Wagons gekürzten, ICE auf den Heimweg machten, trennten sich der HSV und der Club unentschieden. Kann man sehen wie man möchte, der Club ist ja bekanntlich a depp. Aus unserer Sicht war aber der Ausflug nach Hamburg ein klares win win!
Es ist der Wahnsinn, was da innerhalb so kurzer Zeit auf die Beine gestellt und wie professionell das Ganze aufgezogen wurde. Man kann getrost behaupten, die deutsche streetphotography-Szene hat sich bestens präsentiert und in der Tat eine dicke Empfehlung für die Zukunft abgeliefert. Unsere community ist einmal mehr ein Stückchen enger zusammen gerückt, gleichzeitig hat sich der Dunstkreis deutlich erweitert. Das viele positive feedback gibt neue Energie und Schwung für zukünftige Aktionen und wir freuen uns alle auf ein baldiges Wiedersehen!
Auch wenn ich mich wiederhole – DANKE, Marco für das German Street Photography Festival, ohne deinen Einsatz wäre das Ganze schon lange vorher einfach wieder in der Schublade verschwunden. Danke auch an Nils, der die Technik im Griff hatte, an Siegfried, Martin, Pia und Bastian Hertel. Vielen Dank an die Sponsoren, allen voran Panasonic Lumix, daneben Cosyspeed und erstereihe.hamburg. Danke natürlich auch an das team der photopia für die tolle Unterstützung, z.B. auch in Form von Freikarten – hoffe, wir dürfen nächstes Jahr wieder kommen. Zuletzt dann natürlich noch ein Danke an euch alle, die ihr da wart und uns vor Ort oder aber auch von zuhause aus unterstützt habt, insbesondere die Kollegen aus den Kollektiven, welche in ihren Gruppen die Organisations- aber teils auch Motivationsarbeit geleistet haben – Julia, Stefan, Tammo, Mark, Olli und Torsten – hoffe, das klappt auch bei künftigen Veranstaltungen so gut…
Bis bald, gerald
PS: ganz nebenbei fand auch noch das Reeperbahn-Festival statt und auch dort war die deutsche Streetfotografie vertreten. Die Ausstellung „Mein Kiez“ vom GSPF 2019 wurde im festival village auf dem arts playground präsentiert. Leider passte ein Besuch nicht mehr in unseren Terminplan, aber vielleicht möchte ja jemand in den Kommentaren untern kurz berichten….